Für Ruth (genannt Rudi) ist ihr inzwischen ehemaliger Mentee Mozamel so etwas wie “ein kleiner Bruder”. Die beiden lernten sich 2017 über die Bürgerstiftung Barnim Uckermark kennen. Mit Hilfe einer Anwältin konnten sie eine drohende Abschiebung abwenden. Außerdem half Rudi bei der Kommunikation mit der Ausländerbehörde, dem Sozialamt oder der Krankenkasse. Im Gegenzug hat Mozamel, der schon ein Jahr in Eberswalde lebte, Rudi, die neu war, die Stadt gezeigt.

Ilka ist Patin von gleich sieben Kindern, mit denen sie bei sich zuhause Hausaufgaben macht. Zuerst hat sie das in einer Gruppe versucht, “aber ich habe sofort gemerkt, dass ich dumm wie Knäckebrot bin”, erzählt sie lachend im Interview. “Die Kinder brauchen Einzelbetreuung.” Das erhöht natürlich den Aufwand, auf 20 bis 30 Stunden ehrenamtliches Engagement kommt sie in der Woche. Trotzdem weiß sie, warum sie das alles macht: “Jeder muss sich ja überlegen: Wie ginge es mir, wenn ich übermorgen in ein Land käme, wo ich gar nichts verstehe?“

Bei Rita, 84 Jahre, und ihrem “Patenkind” Sonja, 87 Jahre, ist auf den ersten Blick schwer zu erkennen, wer von wem Unterstützung erhält. Kennengelernt haben sie sich 2011 über die Diehl-Zesewitz-Stiftung. Sie gehen gemeinsam essen, laden sich gegenseitig zum Kaffeetrinken ein oder Rita begleitet Sonja zu Arztterminen. Seit Ritas Schlaganfall hat sich das Verhältnis etwas gedreht. „Natürlich fragt man mal, ob man was besorgen soll oder helfen. Weil ich weiß, Rita würde das auch tun“, sagt Sonja.

Ob Geflüchtete, Kinder oder Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, junge Erwachsene auf dem Weg ins Berufsleben oder andere Menschen mit besonderen Bedarfen: So unterschiedlich dieses Engagement auch aussehen mag, es handelt sich um Patenschaften, einer Form des Ehrenamts, bei der ein Mensch, der oder die Mentor/in, freiwillig und unentgeltlich seine Zeit mit einer ihm bislang unbekannten Person verbringt. Was sie gemeinsam tun, richtet sich ganz nach den Bedürfnissen der Mentees. Wichtig ist nur, dass sie sich über mindestens ein Jahr zu regelmäßigen Treffen bereit erklären.

Die Bundesregierung fördert gemeinnützige Organisationen, die Patenschafts- und Mentoring-Projekte durchführen, seit 2016 im Rahmen des Programms “Menschen stärken Menschen”. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen ist mit seinem “Programm Chancenpatenschaften” als einer von 25 Trägern im Bundes-Patenschaftsprogramm daran beteiligt, leitet diese Förderungen an seine Mitgliedsorganisationen weiter und unterstützt die Patenschaftsstandorte in ihrer Arbeit.

1:1 oder maximal 1:5 in Familien- oder Gruppenpatenschaften, so ein enges Verhältnis birgt natürlich auch Gefahren. Vor allem Kinder und Jugendliche sind einem besonderen Risiko ausgesetzt, weswegen die meisten Projekte ein eintragsfreies Führungszeugnis von den Mentor/innen verlangen und immer mehr auch eigene Kinder- und Jugendschutzkonzepte besitzen. Doch auch andere Faktoren wie mangelnde Sprachkenntnisse können zu einem großen Machtgefälle zwischen Mentor/in und Mentee führen. Ein gewisses Gespür für Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen sollte bei Mentor/innen daher vorhanden sein, viele Projekte bieten auch Schulungen zu diesen Themen an.

Die ehrenamtlichen Mentor/innen wiederum können von der Beziehung vereinnahmt oder mit Situationen konfrontiert werden, die sie an ihre Grenzen bringen. Umso wichtiger ist daher eine gute Begleitung durch die durchführende Organisation, zum Beispiel in Form von Gesprächs- und Supervisionsangeboten.

Viele Beteiligten nehmen sich eher als Freunde oder sogar Familienmitglieder wahr. Und auch wenn die offizielle Förderung nach maximal zwei Jahren endet, bestehen viele Patenschaften darüber hinaus fort

Lena Guntenhöner, Referentin Programm Chancenpatenschaften, Bundesverband Deutscher Stiftungen, Foto: David Ausserhofer

Wenn alles klappt, entsteht jedoch das, was eine Patenschaftskoordinatorin der Diehl-Zesewitz-Stiftung einmal als „Begegnung von Mensch zu Mensch“ beschrieben hat. Viele Beteiligten nehmen sich dann eher als Freunde oder sogar Familienmitglieder wahr. Und auch wenn die offizielle Förderung nach maximal zwei Jahren endet, bestehen viele Patenschaften darüber hinaus fort.

Für den Leiter des Programms Chancenpatenschaften, Axel Halling, ist klar: „Patenschaftsarbeit ist bei aller Unterschiedlichkeit der individuellen Bedarfe immer auch Beziehungsarbeit. Da geht es um ein sehr exklusives Verhältnis zwischen Menschen, die sich in einem 1:1-Verhältnis wohler fühlen als zum Beispiel in einer größeren Gruppe eines Vereins oder bei der Freiwilligen Feuerwehr. Eine gewisse gegenseitige Verbindlichkeit ist natürlich Voraussetzung, aber ansonsten kann sich jeder auf diese Art engagieren – und damit einen großen Unterschied für die Mentees, aber auch für sich selber und die Gesellschaft machen.“

Wer sich für diese Form des Engagements interessiert, kann sich an die 26 Mitgliedsorganisationen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen wenden, die in ganz Deutschland verteilt sind (Häufige Fragen | Bundesverband Deutscher Stiftungen unter „Beteiligte Organisationen“), an den Bundesverband Soziales Mentoring (Bundesverband soziales Mentoring e.V. | Dachorganisation für gemeinnützige Organisationen (bundesverband-mentoring.social)) oder an Matching-Plattformen wie Patenmatch (Patenmatch).

 

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